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KONSTITUTIONELLE HYPERMOBILITÄT

Die konstitutionelle Hypermobilität beschreibt einen Körpertypus, eine Konstitution und stellt per se keine Erkrankung dar.

Bei der (allgemeinen, generalisierten) konstitutionellen Hypermobilität ist das quantitative Ausmaß der Bewegung der Gelenke vergrößert, d.h. man findet vergrößerte Bewegungswege der Gelenke vor. Dies beruht auf einer genetischen Störung der Kollagensynthese. 3% der deutschen Bevölkerung ist betroffen.

Die Hypermobilität ist bei Kindern am größten und nimmt im Laufe des Lebens ab. Typisch ist ein erniedrigter Muskeltonus mit starker Verlängerbarkeit der Muskulatur. Es gibt viele Tests, die auf eine Hypermobilität hinweisen.

 

Wie in dem Artikel "Rückenschmerzen" beschrieben, gibt es drei Systeme, die die Körperstabilität bei einer Bewegungsausführung gewährleisten – das lokal stabilisierende Muskelsystem, das global bewegende Muskelsystem sowie das passives Stützsystem (Kapsel-Band-Apparat).

 

Durch die genetisch bedingte Laxizität des Bindegewebes bei der konstitutionellen Hypermobilität, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, wird genau durch diese lockeren Bindegewebsverhältnisse von dem lokalen haltenden Muskeln  mehr Leistung gefordert, um die Stabilität im Gelenk aufrecht zu erhalten.

Daher provoziert beim hypermobilen Bewegungssystem das Ungleichgewicht der Muskelkräfte um ein Gelenk oder in einen Wirbelsäulenabschnitt schon in viel geringerer Ausprägung Beschwerden als bei muskelkräftigen, steifen Menschen (funktionelle Instabilität).

 

Eine Schwäche/ Inhibition der lokalen stabilisierenden Muskulatur führt zu einer Mehrarbeit der globalen bewegenden Muskulatur. Es treten Blockierungen an den Gelenken, Muskelverspannungen mit Triggerpunkten und Ansatztendinosen und den daraus resultierenden myofaszialen Schmerzen auf. Die Blockierungen an den Gelenken, die Tonuserhöhung der Muskulatur kann unter anderem eine verminderte Beweglichkeit vortäuschen, wodurch sich der Patient wiederum unbeweglich fühlen kann. Diese Muskelverspannungen und Gelenkblockierungen stellen in diesem Fall einen Mechanismus zum Schutz der Gelenke dar.

Durch die funktionelle Verkettung im Bewegungssystem kommt es zu unökonomischer Steuerung der Haltung und der Bewegungsabläufe, die wiederum zu Überlastungen und sekundären Triggerpunkten sowie weiteren muskulären Dysfunktionen führen können. Nicht selten entwickeln Patienten, die von der Konstitution hypermobil sind, bei unzureichender Tiefenstabilität, multilokuläre Schmerzen im Bewegungssystem (nahezu 70% aller FibromyalgiepatientInnen sind konstitutionell hypermobil).

 

In der alltäglichen Praxissprechstunde sind es oft junge oft sportliche Frauen, die sich mit diversen Gelenkbeschwerden (Handgelenk, Fußgelenk, Knie,…) vorstellen und auf den ersten Blick aus morphologischer Sicht keine Erklärung für die beschriebenen Beschwerden finden lässt. Erst über die Diagnose der konstitutionellen Hypermobilität in Kombination mit unzureichender Körperstabilität lassen sich die Beschwerden erklären.

 

Die konstitutionelle generalisierte Hypermobilität ist nicht heilbar, das Ausmaß nimmt aber im Laufe des Lebens ab. Damit nehmen auch die typischen Beschwerden mit zunehmendem Alter ab. Es ist jedoch im Einzelfall zu beachten, dass die Symptome bzw. der Leidensdruck stark von der Balance zwischen Belastung und Belastbarkeit und somit vom Trainingszustand, dem Potenzial zur Schmerzchronifizierung, psychischen Überforderungen u. a. abhängen.

 

Die einzige Kontrolle der Hypermobilität erfolgt über die gezielte Kräftigung der das Gelenk stabilisierenden Muskulatur. Dabei kommt es vor allem auf die Haltemuskulatur an.

Der Körperwahrnehmung und dem sensomotorischen Koordinationstraining kommt dabei eine große Rolle zu. Das Trainieren mit Hilfe des „kurzen Fußes nach Janda“ ist hierfür sehr geeignet.

Dr. Bülent Kılıç

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